Ein Bericht von der OFI-Veranstaltung zum Antikriegstag 2019 mit Matin Baraki zum Thema:
„Iran in Kriegsgefahr?“
„Du lächeltest“! Mit der Rezitation dieses hoffnungsvollen Gedichtes des iranischen Lyrikers Hamid Mossadegh eröffneten Renate Fresow und Mashid unsere Veranstaltung.
Auch der Autor Matin Baraki, Mitglied des Zentrums für Konfliktforschung der Universität Marburg, begann seinen Vortrag mit der Rezitation eines Gedichtes des persischen Lyrikers Hafis aus dem 14. Jahrhundert. Er unterstrich damit die lange Tradition der persischen Entwicklung als Kulturstaat, der eines der ersten Großreiche in der Antike war und sich auf ein literarisches Erbe berufen kann. M.B. ging bei seinem Streifzug durch die persische Geschichte auf verschiedene Etappen ein, die den Iran prägten: (Anmerkung: der Landesname Persien wurde erst 1935 offiziell vom damaligen Shah in Iran umgewandelt) Schon 1905 fand in Persien eine Revolution statt, die von der entstandenen Arbeiterbewegung ausging. In der Folge spielte der Iran auch bei den Kontroversen bei der Kommunistischen Internationale eine Rolle. Gravierender war die Entwicklung nach dem 2.Weltkrieg. Seit 1909 förderten die Briten Erdöl im Iran und waren nicht bereit, das iranische Volk an den Einnahmen partizipieren zu lassen. Dies änderte der Wortführer des Widerstands im Parlament, Mohammed Mossadegh. Als Ministerpräsident veranlasste er 1951 die Verstaatlichung der Erdölindustrie, was die Briten mit Unterstützung der USA 1953 dazu bewog, den demokratisch gewählten und im Volk beliebten Politiker zu stürzen. Dieses Trauma sitzt laut M.B. tief im iranischen Bewusstsein.
Neuer Machthaber wurde Shah Mohammed Reza Pahlevi, der aus dem Iran einen amerikanischen Militärstützpunkt an der Südgrenze der Sowjetunion machte. Im Gegenzug zu den zugesicherten Erdöleinnahmen von GB und den USA legten diese den Grundstein für das iranische Atomprogramm. Auch deutsche Firmen (Siemens u.a.) beteiligten sich am Bau des iranischen Atomkraftwerkes. Nach der Revolution 1979 endete die Zusammenarbeit mit den westlichen Unternehmen. Fertiggestellt wurde das AKW am Persischen Golf erst 2010 mit russischer Hilfe.
Matin Baraki ging im Folgenden auf die US-Außenpolitik der USA seit den 80er Jahren ein: der neue Feind Iran wurde durch einen Stellvertreter-Krieg zwischen dem Iran und Irak geschwächt, indem der Irak mit US-Waffen aufgerüstet wurde. Dieser Krieg dauerte 8 Jahre und endete ohne dass einer der Staaten einen Vorteil erzielen konnte. Allerdings wurde der Iran von Bush zur „Achse des Bösen“ gezählt, in die auch der Irak nach dem Attentat 2001 eingereiht wurde. Die Folgen der Destabilisierung der Region im Mittleren Osten sind bekannt. Für die USA war damit die Politik des „regime change“ eingeläutet, was im Fall des Iran allerdings nicht funktionierte. Erst unter Obama gelang es 2015, ein Atom-Abkommen zu unterzeichnen (zwischen USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland), das die Boykottmaßnahmen gegen den Iran aufheben sollte. Im Gegenzug verpflichteten sich die Machthaber im Iran, die Atomwaffenproduktion auszuschließen und die Atomkraft lediglich zu friedlichen Zwecken zu nutzen.
Mit dem Machtantritt Trumps setzte die neue alte Politik wieder ein, dass der Iran als Gefahr gebrandmarkt wurde und durch einen „regime change“ gestoppt werden soll.
Auf diesen Vortrag folgte eine lebhafte Diskussion. Es wurde auf die Einschätzung des iranischen Autors Dr. Mohssen Massarrat verwiesen, der explizit die Bedeutung der ökonomischen Relevanz des Mittleren Ostens in den Fokus rückte und darauf hinwies, dass letztlich die Kriegsgefahr aufgrund der Abhängigkeit der westlichen Industrieländer vom Öl gegeben sei.
M.B. führte aus, dass er zwar hinsichtlich der Bedeutung des Erdöls mit Massarrat übereinstimme. Auch dass die USA darauf abzielen, den Iran zu destabilisieren, sehe er ähnlich. Allerdings sei den USA klar, dass sie nicht in der Lage seien, die Region zu dominieren. Deshalb werde es Trump nicht zu einem Krieg kommen lassen.
Der Autor wurde nach der Rolle der USA im Kampf gegen die Islamisten, den IS, gefragt. Hierzu führte er aus, dass die USA niemals eine in sich konsistente Politik betrieben hätten. Während der Präsenz der UdSSR in Afghanistan, wurden afghanische Mudschaheddin und saudische Islamisten finanziert und mit Waffenlieferungen unterstützt, bis 2001 klar wurde, dass sich die „Verbündeten“ gegen die USA wandten. Ebenso begingen die USA massive Fehler im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins, denn anstatt die besiegten sunnitischen ehemaligen Anhänger Saddam Husseins in den neuen Staat zu integrieren, wurden diese verdrängt, so dass sie sich mit den Islamisten verbündeten und erst jetzt den IS aufbauten und prägten. Auch in Syrien betrieben die USA eine ambivalente Politik: einerseits unterstützten sie die Kurden (YPG) militärisch, andererseits aber auch islamistische Kräfte.
Große Kritik wurde dem Autor in der Frage der Beurteilung der iranischen Machthaber entgegen-gebracht. So müsse man festhalten, dass die Regierung zutiefst brutal gegen innerstaatliche Kräfte vorgehe, Frauen unterdrücke und demokratische Vertreter*innen misshandele. M.B. räumte ein, dass diese Beurteilung zutreffe. Jedoch insistierte er auf seiner Einschätzung, dass sich die Regierung in außenpolitischer Hinsicht – im Gegensatz zu Saudi-Arabien oder den USA – absolut konsequent und verlässlich verhalten habe. Sie habe die 10-jährigen Verhandlungen des Atom-Abkommens durchgehalten, habe den Atom-Vertrag nicht gebrochen. Dagegen seien die USA mit ihrer wechselnden Machtpolitik in Afghanistan, Irak und Syrien komplett gescheitert. Die Verhandlungen mit den Taliban hält M.B. für ein Zeichen der Schwäche.
Zurück zur Fragestellung, wie groß die Gefahr eines Krieges gegen den Iran und damit eine Erschütterung der ganzen Region sei, verweist der Autor darauf, dass wir immer wieder klarmachen müssen, dass gemäß der UN-Charta nur die UN ermächtigt sei, über Gewaltmaßnahmen zu befinden (dazu zählen nicht nur militärische Maßnahmen, sondern auch ökonomische, diplomatische etc.). Aktionen einer „Koalitionen der Willigen“ wie in Syrien oder vorher im Irak widersprechen dem Völkerrecht und sind zu verurteilen. Auf diese Friedensfrage seien alle Politiker „zu nageln“.
„Iran im Visier“, so lauteten die die persönlichen Gedanken von Renate Fresow zu der brisanten aktuellen Situation, die sie in Form eines Gedichtes abschließend vortrug.
Eine bereichernde Veranstaltung der OFI, so das einhellige Urteil verschiedener Teilnehmer*innen.
Du lächeltest.
Du lächeltest mich an,
und wusstest nicht,
mit welchem Schauder
ich den Apfel aus des Nachbars Garten stahl.
Der Gärtner rannte mir hinterher,
sah den Apfel in deiner Hand und
schaute mich an mit wütendem Blick.
Der angebissene Apfel
fiel dir aus der Hand
auf die Erde.
Du gingst.
Du gingst,
und immer wieder,
all die Jahre,
kränkt mich in der Stille
das Rascheln deiner Schritte im Laub.
In Gedanken versunken
frage ich mich,
warum unser kleines Haus
keinen Apfel hatte,
warum unser kleines Haus
keinen Apfel hatte.
Hamid Mossadegh
Übertragung: Mahshid Najafi und Renate Fresow
Iran im Visier 2019
Zweifelsohne
achtet der Westen die Menschenrechte.
Die Freiheit, unter Brücken zu leben, und die Gewohnheit,
immer mehr Menschen in überfüllte Gefängnisse zu zwingen,
sind weltweit zu verteidigen.
Zweifelsohne
schützt der Westen unsere Werteordnung
durch Drohnenangriffe auf Hochzeitsgesellschaften am Hindukusch
und, nicht zu verachten, durch die Entwicklung smarter Atomwaffen.
Staaten auf eigenen Wegen sind weltweit zu bekämpfen.
Zweifelsohne
unterstützt der Westen mit Twitter, Geld und Waffen
jedweden Kämpfer gegen jedweden ungehorsamen Machthaber.
Die Werte der "Guten" müssen weltweit in die Köpfe
und die Waffen in die richtigen Hände gelangen.
Schluss mit der Ironie.
Kommen wir zum bitteren Ernst.
Im Iran herrschen die Mullas mit frauenunterdrückender Kopftuchpflicht
und religiösen Gesetzen aus dunkler Zeit.
Jedoch,
die Koalition der "Guten" verlassend,
nahmen sie damals das Öl in iranische Hände
und gehen seither ihren eigenen Weg .
Wir aber wissen,
Rohstoffe in den Händen der Völker,
und lägen sie im hintersten Winkel dieser Erde,
sind dem Westen ein Gräuel.
Sie müssen also verteidigt werden, die Völker und ihre Rohstoffe,
gegen die räuberischen Begierden der Konzerne!
Verteidigt im Einklang mit dem Völkerrecht
auf friedlichem, demokratischen Wege
in solidarischer Weltgemeinschaft
gegen die Ausplünderung der Armen,
gegen die todbringenden Sanktionen,
gegen den völkermordenden Krieg!
Renate Fresow